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IGH-Gutachten: Klimaschutz wird Pflicht

News vom 28.08.2025

Kein Zweifel, das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag lässt aufhorchen, und das wohl auch, weil vom Klimaschutz zuletzt so selten die Rede war. Das Bemerkenswerte an dem Gutachten: Im Unterschied zu den auf Freiwilligkeit basierenden Klimaschutzbeiträgen, die sich aus den internationalen Klimaabkommen ergeben, stellten die 15 Richter:innen des IGH erstmals fest, dass die Staaten der Vereinten Nationen in der Pflicht sind, zu handeln. Sie müssten ihren größtmöglichen Beitrag leisten, um die Erderwärmung zu bremsen. »Das Versäumnis eines Staates, geeignete Maßnahmen zum Schutz des Klimasystems zu ergreifen, kann eine völkerrechtswidrige Handlung darstellen«, so der japanische Gerichtspräsident Yuji Iwasawa am 23. Juli bei der Verlesung des Gutachtens.

Dabei erkennt der IGH ausdrücklich das ambitioniertere 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens als »primäres Temperaturziel« an, nicht das ebenfalls in dem Abkommen genannte 2-Grad-Ziel. Die Staaten müssen also alles dafür tun, damit sich die globale Durchschnittstemperatur um nicht mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erhöht. Eine »saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt« sei ein Menschenrecht, heißt es in der Stellungnahme des weltweit höchsten Gerichts, und der Klimawandel stelle eine »universelle und ernstzunehmende Bedrohung« für die Weltgemeinschaft dar.

Und noch etwas macht das Gutachten deutlich: Länder, die durch den Klimawandel geschädigt werden, könnten Anspruch auf Wiedergutmachung durch jene Staaten haben, die eine besondere Verantwortung für die Klimakrise tragen. Dies müsste jedoch im Einzelfall nachgewiesen werden. Auch die Genehmigung neuer Öl- und Gasfelder sowie die Subventionierung fossiler Energien könnten sich laut Yuji Iwasawa als möglicherweise rechtswidrig erweisen.

Zwar ist das IGH-Gutachten für die einzelnen Staaten rechtlich nicht bindend, es dürfte aber bei laufenden und zukünftigen Klimaklagen eine zentrale Rolle spielen, denn andere Gerichte werden die Einschätzung des IGH berücksichtigen, auch auf nationaler Ebene. So geht etwa die Energieökonomin Claudia Kemfert auf LinkedIn davon aus, dass die Rechtsposition des Klägers in solchen Verfahren gestärkt werden dürfte. Auch Unternehmen müssen Kemfert zufolge verstärkt mit klimabezogenen Regulierungen und Haftungsrisiken rechnen sowie mit verschärften Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mit Blick auf die Finanzierungslandschaft erwartet sie, dass Investor:innen Klimarisiken in Zukunft noch stärker in ihre Bewertung einbeziehen werden.

In Auftrag gegeben wurde das Rechtsgutachten 2023 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Den Anstoß dort hatte unter anderem der pazifische Inselstaat Vanuatu gegeben, der vom steigenden Meeresspiegel besonders bedroht ist. Konkret sollte das höchste Gericht in Den Haag beantworten, welche Verpflichtungen Staaten zum Schutz des Klimas haben und welche Rechtsfolgen ihnen drohen, wenn sie Klimaschäden verursachen oder nicht verhindern. Für Deutschland hatte 2021 bereits das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Recht auf Klimaschutz Verfassungsrang hat und die notwendige Reduktion der Treibhausgase nicht zulasten jüngerer Generationen aufgeschoben werden darf.